Der alte Förster Padberg.

Förster- und Wilddiebsstückchen, nacherzählt vom Hörensagen von Lehrer Jäusaip aus Bruchhausen

Vorwort.

In dem letzten Heimatkalender von Hüsten hatte ich eine Erzählung vom Bruchhauser Schützenfest gebracht, und es ist mir gesagt worden, das Stückchen habe Gefallen gefunden und zum Lachen beigetragen. Weil nun der Heimatkalender für 1926 wieder erscheinen soll und ich angesprochen worden bin, nochmal so ein Stückchen beizutragen, will ich es probieren, die Leute aus dem Amte Hüsten ein bißchen zum Lachen zu bringen, da alle Ärzte sagen, Lachen sei gesund, und die Gesundheit wünsche ich allen Eingesessenen meiner Heimat von ganzem Herzen.

Wenn ich aber beim Erzählen mal danebenhaue, müssen die lieben Damen und Herren mir das nicht übelnehmen und ärgerlich werden, sondern bedenken, daß ich bald 76 Jahre alt werde, wo das Gedächtnis nachläßt, und dann wollen es auch die Augen trotz Brille nicht mehr recht tun, und das ist sehr schlimm. Also nichts für ungut!

Der Förster Padberg

Zwischen Hüsten und Bruchhausen steht alleine nahe am Berge ein Forsthaus, das in alten Tagen eine Art Schloß gewesen ist und darum noch immer "auf dem Platze" genannt wird. Da lebte zu meiner Jugendzeit ein Förster des Grafen von Fürstenberg zu Herdringen, der Herr Padberg. Dieser Förster Padberg war ein Kerl wie ein Eichenbaum, konnte ein sehr grimmiges Gesicht machen, hatte aber von Natur aus ein kindliches Gemüt und war unendlich gutmütig. Von Holzfrevel machte er nicht viel Anzeigen, wenn ihm nicht gerade schönes Nutzholz gestohlen wurde, sondern er bestrafte die Spitzbuben selbst mit seinem Stock. Zum Beispiel hatte der alte Lehrer zu Bruchhausen seinen Sohn Andreas vor Weihnachten in den Schulberg geschickt, um einen Christbaum zu suchen. Weil aber im Schulberg und auch in Bastions Daiskert nicht viel los war, ging Andreas hoch über die Lehmkuhle in eine junge Tannenschonung und sägte sich einen schönen Christbaum ab. Aber als er fertig war, kam der alte Padberg und hatte Andreas beim Wickel, ehe er ausreißen konnte. Andreas schrie um Erbarmen und rief immer: "Oh, Herr Padberg, schlagt mich lieber, sagt aber dem Vater nichts!" Das besorgte Padberg auch zum Teil und zog dem Jungen ein paar Ordentliche übers Kreuz, ließ ihn dann aber mit seinem Christbaum laufen. Als er nach Wochen in Bruchhausen den alten Lehrer beim großen Kristion um die Ecke beim Sechsundsechzig traf, gab er das Stückchen zum besten, und Andreas mußte bei seinem Vater nochmals Reue und Leid erwecken. Dabei hatte sich sein Notschrei auch rumerzählt, und er mußte es dann noch oft von seinen Kumpanen hören.

Aber gegen Wilddiebe war der alte Padberg ohne Gnade, das kam daher: Als junger Förster war er dem alten Förster Nückel zu Bruchhausen zugeteilt. Dieser Förster Nückel war eines Tages von Arnsberger Wilddieben erschossen worden. Padberg sprang dem alten Nückel, der in ein Siepen gefallen war bei, und da schossen ihn die Wilddiebe auch mit Hagel an und hatten ihm ein Stück von der Kopfhaut abgeschossen. Seit dieser Zeit hatte Padberg die Wilddiebe auf dem Korn, und sie fanden keine Gnade bei ihm, und das auch wohl mit Recht. Die Haupttäter gingen damals schnell über den großen Teich nach Amerika, die Mitläufer bekamen ein paar Jahre Zuchthaus. Nun war aus Arnsberg auch so ein krummer Schuster dabeigewesen. Als der wieder entlassen war, ließ er das Wilddieben noch nicht und fiel auch richtig dem alten Padberg dabei in die Finger. Mit einem Schlage hatte Padberg dem Schuster, der hinter einer dicken Buche stand und den Förster nicht hatte kommen hören, beide Hähne von der Flinte geschlagen, denn er hatte einen echten Stabelstock aus Eichenholz, den er wohl zu gebrauchen wußte und den er auf 40 Schritte dem schnellsten Wilddieb so in die Hacken warf, daß er holterdiepolter auf die Nase stürzte. Dann gerbte Padberg dem Schuster erstmal gründlich das Fell, und danach nahm er ihn mit nach der Wolfskuhle. Da waren tiefe Löcher von Wolfsfallen aus alter Zeit. Nun sagte Padberg zu dem Schuster: "Jetzt stirbst du gerade so wie mein seliger Freund Nückel! Hock dich da hin und bete dein letztes Vaterunser!" Dabei nahm Padberg seine Büchse von der Schulter und spannte die Hähne. Der Schuster bettelte um Erbarmen, aber Padberg blieb hart wie ein Kieselstein und sagte: "In fünf Minuten geht deine schwarze Schusterseele zum Teufel!" Nun fing der Schuster an zu beten, brachte aber aus lauter Verzweiflung kein ganzes Vaterunser zusammen. Da entspannte Padberg seine Büchse wieder, nahm einen Prügel und schlug so lange auf den Schuster los, bis er wie ein Häufchen Elend da lag und kein Haar mehr bewegte. Dann ging Padberg ein Stückchen weiter, wo Arbeiter Wege ausbesserten, nahm einen Arbeiter mit, der den Schuster auf eine Schubkarre laden und nach Hüsten ins Spritzenhaus bringen mußte. Der Schuster konnte kein Glied bewegen, und weil der alte Polizeidiener Linkamp bange war, er würde sterben, rief er den alten Doktor Schulte von Neheim, der gerade bei Hessen seine Tulpe trank, zu Hilfe. Dr. Schulte untersuchte den Schuster und sagte: "Knochen sind nicht gebrochen, und das Fleisch soll wohl heilen. Schmier ihn mit lauwarmem Tran ein. Aber Durst soll er wohl bekommen, darum setz einen ordentlichen Topf voll Wasser hin. Die Nachtwache kann mal nach ihm sehen, aber Unkraut vergeht nicht!" Nach zwei Tagen brachte der alte Linkamp den Schuster ins Loch. Über sein Fortlaufen brauchte Linkamp nicht bange zu sein, er mußte dem Schuster nur einen Knüppel suchen, auf den er sich stützte. Das war auch gut, weil Linkamp selber ein bißchen humpelte; er war nämlich ein alter Kriegsinvalide von 1815. Nun dauerte der Transport von Hüsten nach Arnsberg geschlagene vier Stunden, was in anderthalb Stunden gut zu machen war. Unterwegs hatte er in Bruchhausen bei der Häppsken, in Niedereimer bei Hoffmanns, in der Schefferei und am Schmieshäuschen Pause gemacht, und das nicht zu knapp. Der Schuster bekam sechs Monate Gefängnis, aber meint ihr, er hätte sich gebessert? Das ist eben der Fluch beim Wilddieben, daß ein echter Wilddieb das Freveln nicht lassen kann, solange er noch kriechen kann. Auch der Schuster war nicht besser geworden.

Als er seine sechs Monate abgebrummt hatte, ging er doch wieder los. Aber der alte Padberg hatte ihm seine Doppelflinte kurz und klein geschlagen, und er mußte sich mit einem Einläufer behelfen, an dem der Lauf länger war als der ganze Kerl. Nun ging Padberg eines Tages mit dem alten Förster Moritz aus Niedereimer durch die Günner Mark, jeder für sich, aber nicht weit auseinander, weil sie einen Schuß gehört hatten. Und wer war das? Wieder der krumme Schuster mit seiner ellenlangen Flinte. Der sah den Förster Moritz zuerst und wollte ihn erschrecken. Er schoß auf den Förster, traf ihn aber nicht, sondern jagte die Rehposten alle in eine dicke Buche. Da hatte ihn der alte Padberg aber schon wieder im Nacken und rief: "Hierher, Moritz! Nun dem Schweinehunde die Hose runter, ich will erst mal sehen, ob die alten Denkmäler zugewachsen sind." Dem Schuster, den Padberg auf die Erde geworfen hatte, wurde die Hose runtergezogen, und Padberg sagte: "Herrlich zurecht gepflastert, aber das Fell ist noch streifig. Der Kerl muß ein neues Fell haben. Laß den Schweinehund so liegen, und wenn er sich rührt, schlägst du ihn auf den Kopf, daß er betäubt ist. Ich will mir erst eine Gerte schneiden, die kitzelt besser." Padberg ging und schnitt sich einen überjährigen, kräftigen Haselstock ab. Dann mußte Förster Moritz den Schuster bei Kopf und Schultern festhalten und Padberg fing an zu geißeln, und zwar so, daß dem Schuster das Blut am Hintern herunterlief. Erst schrie der Schuster, aber bald war er stumm. Da hörte Padberg auf zu schlagen, weil er nicht wollte, daß der alte Linkamp wieder Dr. Schulte zu Hilfe rufen mußte. Nach dieser Arbeit gingen die Förster ruhig da sitzen und frühstückten. Unterdessen hatte sich der Schuster wieder bekriegt, jammerte aber ganz erbärmlich. Nun trieb Padberg den Schuster auf und fing was anderes mit ihm an. Er nahm die lange Flinte und band sie mit dem Kolben dem Schuster so zwischen die Schulterblätter auf den Rücken, daß der Lauf wenigstens drei Fuß über dem Kopf in die Höhe stand. Dann ging es voran die Wannestraße entlang nach Niedereimer. Da wurde erst bei Schulten Ankethreyne eingekehrt; der Schuster, dem sie die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatten, mußte an der Tür stehen bleiben und zusehen, wie den Förstern das Bier so echt schmeckte. Dann ging es durch den Feldweg nach Bruchhausen. Dort wurde genauso erst bei der Häppsken und dann beim langen Kristion eingekehrt. Alles was den Einzug sah, lachte. Weil aber der Schuster an allen Gliedern zitterte, ließ ihm Padberg bei Kristion einen großen Sippsken Klaren geben. Da verlor sich das Zittern, und es ging langsamen Schrittes die Chaussee entlang nach Hüsten zu. Gern wären die Förster erst bei Sipps Großem in der grünen Stube zur heiligen Feme eingekehrt, aber da kam gerade der Amtmann Kuhlmann über den Markt, und es ging sofort dienstlich nach dem Spritzenhaus, wo der Käfig (Gefängnis) war. Auch der Amtmann wollte sich über den Aufzug totlachen, sagte aber zu Padberg: "Das ist ja derselbe Kerl, den Sie vor einem Jahr so vertobackt hatten. Haben Sie es jetzt besser gemacht?" Padberg lachte und sagte: "Nein, Herr Amtmann, das erste Gift war damals herausgesprudelt, nun habe ich ihm mit einem Stöckchen das Gewissen aufgerüttelt." Da kam der alte Linkamp mit den Schlüsseln, weil er von der Affäre gehört hatte, und steckte den Arrestanten, als er ihm die Hände losgebunden und die Flinte abgeschnallt hatte, ins Kittchen. Die Förster aber gingen nach Sipps Großem und stärkten sich, weil sie glaubten, sie hätten es sich ehrlich verdient. Es soll den beiden so spät geworden sein, daß Förster Moritz bei Padberg auf dem "Platze" über Nacht blieb, weil ihm der Weg nach Niedereimer zu schwierig war. Als der alte Linkamp aber am Abend dem Schuster Wasser und Brot brachte, klagte dieser sehr über seinen Allerwertesten. Linkamp besah sich die Geschichte und sagte: "Da muß ein Pfund Talg drauf, und die Hose wirst du morgen nicht hochziehen können." Weil Linkamp aber ein mitleidiges Herz hatte und sich gewiß auf den Transport nach Arnsberg freute, holte er bei Ansels Juden ein halbes Pfund Talg, wischte den Schuster hinten ab und salbte ihn ordentlich ein. Dann ging er auch nach Sipps Großem, wo Padberg ihm ein paar Klare ausgab. Als er aber erzählte, daß er den Schuster eingesalbt hatte, bekam er keinen mehr, und Padberg sagte: "Du hättest ihn leiden lassen sollen, Strafe muß sein!"

Am nächsten Tag konnte Linkamp mit dem Schuster noch nicht nach Arnsberg gehen, weil der noch zu fußkrank war, es ging erst am folgenden Tag auf die alte Strecke. Diesmal kam der Schuster aber vor das Schwurgericht wegen Mordversuchs, weil er zuerst geschossen hatte. Er bekam drei Jahre Zuchthaus, und er ist daraus nicht wiedergekommen.

Da fällt mir aber von dem "schlagfertigen" Padberg noch ein Stückchen ein, das ich zum Schluß noch schnell auftischen will. Es war große Treibjagd gewesen. Viele adelige Herren waren dabei. Es hatte geklappt. Kein geringer Hirsch war angeschossen und sogar ein tüchtiger Vierzehnender zum alten Jagdhaus geschleppt worden. Ein ganzes Fuder Hirsche und Rehböcke und Hasen und Füchse waren zusammengekommen. Da war der alte Graf übermäßig freundlich und bestimmte, es solle ein ordentliches Faß Bier von Schumachers in Bruchhausen für die Förster und Treiber geholt werden, weil das Fuhrwerk für das Wild auch von Schumachers geholt werden mußte. Es wurde auch ein ordentliches Faß aufgeladen und Kran und Gläser dabei. Padberg aber hatte seinen alten Futterschneider nach Bruchhausen geschickt. Das war Sinns Witte aus Niedereimer. Sinns Witte war das, was man heute" Gelegenheitsarbeiter" nennt. Im Frühjahr half er im Walde pflanzen, dann mähte er Gras und Korn und half auch mit dem Flegel dreschen . Im Winter schnitt er mit der Häckselbank Futter für Pferde und Kühe, weil man damals noch keine Häckselmaschine, keinen Göpel, viel weniger eine Dampfmaschine kannte. Er logierte der Reihe nach auf den Balken (Heuböden), wo er arbeitete, weil man ihn in kein Bett tun konnte, wegen der Flöhe und anderen Ungeziefers, die er auf dem Leibe hatte. Jeden Samstag mußte er Geld haben, das er Sonntag und Montag bei Schulten Ankethreyne oder bei Happen alter Tante in echten Sipps Klaren umsetzte. Dienstags fing er dann regelmäßig wieder an zu arbeiten, und bei dieser Regelmäßigkeit und weil er zwei Tage in der Woche fastete, nämlich Sonntag und Montag - denn wo ein Brennhaus steht, kann kein Backhaus stehen, - ist er doch beinahe 80 Jahre alt geworden. Also dieser Sinnes Witte war, weil er ein kräftiger Bursche war, von Padberg bestimmt, Wagen und Bier von Schumachers in Bruchhausen zu holen. Als er aber mit dem Bier in Schumachers Waldstück kam, kriegte der Witte, als er sich das schöne Faß besah, ganz großen Durst, gewöhnlichen hatte er immer. Der Knecht mußte halten, das Faß wurde angeschlagen, und, weil der Knecht auch nicht in das Bier spuckte, ein ordentliches Loch in das Faß gesoffen. Dann fuhren sie weiter, aber der Durst hörte nicht auf, und es wurde noch ein paarmal Pause gemacht, so daß das Faß bedeutend leichter geworden war und laut gluckste. Der alte Padberg sah an dem Fasse und an den beiden Gesellen sofort, was los war, nahm sogleich seinen Krückstock und begann den Witten zu dreschen. Dabei rief er: "Du Schweinekopp, willst du wieder stehlen?" Aber all das Dreschen brachte keine Reue, weil der Witte immer rief: "Ach, Herr Padberg, ich bin noch so 'drinkerig'!" Da mußte der alte Padberg selber lachen und hörte auf zu schlagen. Der Witte bekam aber nichts anderes mehr als das Drüppelbier unterm Krane weg. Er erhielt aber auch das Treibergeld, und da war ihm geholfen, und er bekam zwei Fasttage mitten in der Woche. Das Wort vom Witten hat sich auf dem Bruchhauser Schützenfest erhalten, und wenn der Hauptmann abends Feierabend gebietet, dann heißt es noch an vielen Ecken: "O, Herr, wir sind noch so 'drinkerig'!"

Der alte Padberg ruht sich nun schon lange Jahre auf Kösters Kämpchen von allen Strapazen aus. Gott gebe ihm die ewige Ruhe!

 

Das "Vertelleken" "Dai olle Fürster Padbiärg" wurde dem "Heimat-Kalender für den Amtsbezirk Hüsten - 1926 -" mit freundlicher Genehmigung des Leiters des Archivs der Stadt Arnsberg entnommen.

 

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